AMS NÖ finanziert Psychotherapie für Jobsuchende in Arbeitstrainingszen-tren

Ö-weit erstes AMS-Pilotprojekt soll raschere Rückkehr ins Erwerbsleben ermöglichen.


  • Veröffentlicht 21.06.2022
  • Bundesland Niederösterreich

Bei etwa jeder/jedem 3. aller Jobsuchenden in Niederösterreich erschweren gesundheitliche Probleme den beruflichen Wiedereinstieg. Die Beratungspraxis im Arbeitsmarktservice (AMS) zeigt, dass körperliche und psychische Probleme zunehmen. In einem österreichweit erstmaligen Pilot-Projekt ermöglicht das Arbeitsmarktservice (AMS) Jobsuchenden, die sich in niederösterreichischen Arbeitstrainingszentren auf ihren beruflichen Wiedereinstieg vorbereiten, den Zugang zur Psychotherapie. Die Initiative präsentieren AMS NÖ-Landesgeschäftsführer Sven Hergovich und die Ao.Univ.Prof.in für Psychiatrie und Psychotherapie an der MedUni Wien Karin Gutierrez-Lobos in einem Pressegespräch im Arbeitstrainingszentrum Schiltern.

Gesundheitliche Probleme stehen bei rund 12.400 niederösterreichischen Jobsuchende im Mai 2022 einer raschen Arbeitsmarktintegration im Wege. Diese Vermittlungseinschränkungen sind zunehmend multipel zu verstehen: körperliche Erkrankungen gehen mit psychischen Problemen Hand in Hand. Aber eine dringend notwendige Psychotherapie können die Betroffenen selten selbst finanzieren. Sie warten monatelang auf einen freien, von der ÖGK finanzierten Therapie-Platz.

„Hier werden wir Abhilfe schaffen und zumindest jenen ein Angebot machen, bei denen eine psychische Erkrankung bereits diagnostiziert wurde: bei Jobsuchenden, die sich in einem der fünf Arbeitstrainingszentren in Niederösterreich auf ihren beruflichen Wiedereinstieg vorbereiten und gerne Psychotherapie nutzen würden. Ihr Ziel ist, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, arbeiten zu gehen und selbst wieder Geld zu verdienen. Ein Anliegen, das wir unterstützen, indem wir bei der Finanzierung von psychotherapeutischer Begleitung einspringen, um einen rascheren Einstieg ins Erwerbsleben zu ermöglichen“, so AMS NÖ-Chef Sven Hergovich.

Foto der Pressekonferenz zur Finanzierung von Psychotherapie für Langzeitarbeitslose in Niederösterreich. Im Bild AMS NÖ-Chef Sven Hergovich und Prof. Karin Gutierrez-Lobos  von der MedUni Wien

AMS NÖ finanziert 100% der Therapiekosten für Teilnehmende in Arbeitstrainingszentren
Das AMS NÖ-Pilotprojekt mit dem Ziel, eine zügigere Arbeitsmarktintegration von Jobsuchenden mit psychischen Erkrankungen zu forcieren, startete im Frühjahr und ist für ein Jahr angelegt. Einbezogen werden erwachsene AMS-Kund_innen, bei denen psychische Erkrankungen diagnostiziert und die in eines der fünf Arbeitstrainingszentren in Niederösterreich vermittelt wurden. Das AMS übernimmt zur Gänze (!) die Therapiekosten für jene, die gerne eine Psychotherapie in Anspruch nehmen möchten und

  • die sich keine Therapie privat leisten können,
  • schon lange auf einen kassenfinanzierten Platz warten oder auch
  • bei denen der Therapie-Wunsch von der ÖGK abgelehnt wurde.

Finanziert werden Sitzungen bei eingetragenen Therapeut_innen oder klinischen Psycholog_innen. Die AMS-Unterstützung bleibt so lange aufrecht, bis die ÖGK die Finanzierung der Psychotherapie übernimmt.

Angebot wird bereits genutzt, externe Evaluierung zur Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle
Das AMS NÖ rechnet damit, dass rund ein Drittel der Kund_innen in den Arbeitstrainingszentren das Angebot der Psychotherapie nutzen werden (von in Summe 150 ATZ-Teilnehmenden pro Jahr). Seit Projektbeginn sind das bereits 21 Personen.

Die Kosten für dieses ein Jahr laufende Projekt betragen rund 150.000,- €. Hinzu kommen 25.000,- € für die externe Evaluierung, mit der das AMS NÖ die Firma Prospect beauftragt hat. Statistische Auswertungen und Gruppeninterviews sollen zeigen, ob das Ziel einer AMS-Überbrückungsfinanzierung von Psychotherapie auch tatsächlich zu einer rascheren Arbeitsaufnahme der Betroffenen führt.

Ao.Univ.Prof.in Karin Gutierrez-Lobos: „Die durch Arbeitslosigkeit entstandene „freie Zeit“ ist eine ungeheure seelische Belastung, konstatierte Marie Jahoda bereits 1975. Nachfolgende wissenschaftliche Untersuchungen haben dies bestätigt: Arbeitslose weisen ein bis zu 3,5fach höheres Risiko für psychische Erkrankungen auf, das mit Dauer der Arbeitslosigkeit noch weiter ansteigt. Jobsuchende nehmen seltener oder deutlich verzögert Behandlungsangebote wahr. Ursachen dafür sind u.a. Erreichbarkeit der Hilfsangebote, lange Wartezeiten, Wissen über psychische Erkrankungen und Stigmatisierung. Jobsuchende mit psychischen Belastungen haben einen vielfältigen und hohen Unterstützungsbedarf, um arbeitsmarktbezogene Reintegration zu ermöglichen. Viele dieser Angebote können aber oft nicht entsprechend genützt werden, wenn nicht gleichzeitig auch die psychischen Belastungen behandelt werden.

Nö. Arbeitstrainingszentren mit beachtlichem arbeitsmarktpolitischen Erfolg
In Kooperation mit der Pensionsversicherungsanstalt hat das AMS in Niederösterreich an 5 Standorten Arbeitstrainingszentren (ATZ) mit 112 Plätzen eingerichtet. Hier bereiten sich AMS-Kund_innen mit psychischen Problemen auf ihren beruflichen Wiedereinstieg in verschiedenen Beschäftigungsbereichen vor. Dabei werden sie sozialpädagogisch begleitet und trainieren ihre Belastbarkeit und ihre sozialen Kompetenzen.

Der arbeitsmarktpolitische Erfolg für das Jahr 2021 ist beachtlich: 42% der ehemaligen AMS-Kund_innen befanden sich drei Monate, nachdem sie ihre Teilnahme am ATZ beendet hatten, im Erwerbsleben oder qualifizierten sich weiter. Die Kosten für den Betrieb der 5 Arbeitstrainingszentren in NÖ belaufen sich in diesem Jahr auf etwa 4,6 Millionen €. 1,2 Millionen davon werden vom AMS NÖ getragen.

Jobsuche dauert bei gesundheitlichen Problemen wesentlich länger
Für AMS-Kund_innen mit gesundheitlichen Problemen dauert die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz wesentlich länger – vor allem dann, wenn sie bereits 50 Jahre oder älter sind:

Dauer der erfolgreichen Arbeitslatzsuche – nö Daten Mai 2022:

  • für alle Jobsuchenden: 155 Tage
  • Jobsuchende mit gesundheitlichen Problemen: 231 Tage
  • für Jobsuchende der Generation 50 plus und gesundheitlichen Problemen: 273 Tage.

Rückfragehinweis für die Redaktion:
AMS NÖ: Martina Fischlmayr: 050904 300 120 oder 0664/83 50 517.

Diese Seite wurde aktualisiert am: 27. Juni 2022