Im Fokus: Fachkräftemangel und Langzeitbeschäftigungslosigkeit

> Ungebrochene Dynamik am Arbeitsmarkt > Unternehmen ins Boot holen > Abbau der Langzeitbeschäftigungslosigkeit > Existenzsicherung sicherstellen


  • Veröffentlicht 09.02.2022
  • Bundesland Oberösterreich

Arbeitsprogramm 2022

»Für 2022 wird die Entwicklung der Pandemie ausschlaggebend sein – wir werden vermitteln, qualifizieren und gegen die Langzeitbeschäftigungslosigkeit ankämpfen; parallel dazu sorgen wir für die Existenzsicherung durch Arbeitslosengeld und Kurzarbeit«, umreißt Landesgeschäftsführer Gerhard Straßer die Marschrichtung für das heurige Jahr. »Wir fokussieren dabei auf individualisierte und kompetenzorientierte Ausbildungen, die am Arbeitsmarkt dringend gebraucht werden. Knapp drei Viertel des Förderbudgets, das € 188,5 Mio. umfasst, wird heuer in Qualifizierungen und vorgelagerte Beratungsmodule investiert, gut ein Viertel kommt Langzeitbeschäftigungslosen und Älteren zugute.«

Ungebrochene Dynamik am Arbeitsmarkt

Am oberösterreichischen Arbeitsmarkt herrscht trotz Einschränkungen infolge der Corona-krise eine ungebrochene Dynamik. Im vergangenen Jahr wurden 116.200 Personen (vorübergehend) arbeitslos, und das AMS OÖ akquirierte 112.000 offene Stellen bei den heimischen Unternehmen. »Das verfügbare Arbeitskräftepotenzial ist weitgehend ausgereizt«, unterstreicht die stv. Landesgeschäftsführerin Iris Schmidt, MA. »Sowohl das Potenzial ausländischer Arbeitskräfte als auch die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter reduziert sich. Daher sollten Unternehmen besonders darauf achten, ältere Mitarbeitende länger in Beschäftigung zu halten, Menschen mit geringerer Qualifikation den Einstieg ins Unternehmen zu ermöglichen und speziell Frauen die Möglichkeit zur Stundenaufstockung zu geben.«

»Derzeit schießt die Zahl der offenen Stellen durch die Decke!«, ergänzt Straßer. »In Oberösterreich ist die Personalnachfrage deutlich höher als etwa in Wien, Niederösterreich oder der Steiermark. Dass trotzdem die Arbeitslosenquote im Jahresschnitt 5,0 Prozent beträgt, hängt vor allem mit dem Missverhältnis zwischen den geforderten und vorhandenen Qualifikationen zusammen. Viele Jobsuchende haben keine oder eine nicht mehr nachgefragte Ausbildung. Hinzu kommen  Benachteiligungen aufgrund des Alters, gesundheitlicher Einschränkungen oder mangelnder Deutschkenntnisse.«

Unternehmen ins Boot holen

Das AMS OÖ achtet darauf, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Qualifizierungen ihre neu erworbenen Kenntnisse umgehend bei  personalsuchenden Unternehmen einsetzen können. Dies kann entweder nach Absolvierung der Ausbildung passieren oder indem nach einer Vorschulung in einem AMS-Projekt die Ausbildung im Unternehmen fortgesetzt wird. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Fördermanagement und dem Service für Unternehmen im AMS OÖ ermöglicht es, bei vielen Ausbildungen Betriebe als mögliche Dienstgeber schon zu Beginn ins Boot zu holen. Das steigert das Interesse der Arbeitsuchenden an konkreten Ausbildungen deutlich.

 »Wir bieten zahlreiche Möglichkeiten, Arbeitskräfte punktgenau für bestimmte Aufgaben auszubilden«, betont Straßer. »Dazu zählt etwa die Arbeitsplatznahe Qualifizierung (AQUA), die Qualifizierungsförderung für Beschäftigte und die Lehrstellenförderung für über 18-Jährige. Mit der aktuellen Corona-Joboffensive des AMS sind viele Aus- und Weiterbildungen möglich – speziell mit einem Lehrabschluss.«

Abbau der Langzeitbeschäftigungslosigkeit

Um die Dauer der Arbeitslosigkeit möglichst gering zu halten, setzt das AMS OÖ auf das Prinzip Early Intervention: Bewerbungsunterstützung in Form von Einzelberatungen können und sollen Jobsuchende schon zu Beginn der Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen. Dauert die  Arbeitslosigkeit bereits drei Monate, bietet das AMS OÖ eine Berufsorientierung in Kursform an. Arbeitserprobungen und Eingliederungsbeihilfen an Unternehmen – etwa im Rahmen der Aktion Job-Restart – unterstützen den Wiedereinstieg ins Berufsleben. »Nach dem Höchststand von 13.500 langzeitbeschäftigungslosen Personen im März 2021 konnten wir die Zahl der Betroffenen deutlich verringern«, erläutert Straßer. »Allerdings kommen ständig neue Fälle dazu. Aktuell sind 9.433 Personen über ein Jahr arbeitslos. Unser Ziel ist es, heuer zumindest auf das Niveau von 2019 zurückzukommen und in der Folge noch weiter abzusenken.«

Im Jahr 2021 vermittelte das AMS OÖ 11.900 Langzeitbeschäftigungslose auf neue Jobs; rund 3.000 Arbeitsaufnahmen erfolgten dabei im Rahmen des Job-Restart-Programms. Auch die Arbeitserprobungen bewähren sich: In der Hälfte der Fälle werden die teilnehmenden Personen vom Unternehmen übernommen. Aktuell werden gemeinsam mit den Sozialpartnern weitere Maßnahmen beraten, die zum Abbau der Langzeitbeschäftigungslosigkeit beitragen. Auch das Land  Oberösterreich plant für die kommenden Monate neue Förderangebote. »Mit unseren Initiativen wollen wir Unternehmen motivieren, Langzeitbeschäftigungslosen eine Chance zu geben«, betont Straßer. »Zugleich entsteht für die Jobsuchenden ein Anreiz, nach der Arbeitserprobung im Unternehmen zu arbeiten und sich bei Bedarf weiterzubilden.«

Existenzsicherung sicherstellen

Im Jahr 2021 hat das AMS OÖ 136.500 Anträge auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe stets zeitgerecht bearbeitet. Zugleich mussten Personalressourcen verschoben werden, um die 13.000 Anträge auf Kurzarbeit abarbeiten zu können. »Die Kurzarbeit hat seit September 2021 wieder Fahrt aufgenommen«, erklärt Straßer. »Wir hoffen aber auf deutlich sinkende Zahlen im März.«

Statement der AG-Kurie im AMS-Landesdirektorium

»Viele oberösterreichische Betriebe suchen auch während der Pandemie verzweifelt nach Fach- und Arbeitskräften«, betont Landesdirektoriumsmitglied Thomas Mayr-Stockinger, MBA (WKOÖ). »Selbst die Kunden spüren die Auswirkungen des  Arbeitskräftemangels bzw. der Lieferengpässe durch mitunter lange Wartezeiten und höhere Preise. Um einen Teil der annähernd 30.000 offenen Stellen besetzen zu können, muss die aktive Vermittlung von Arbeitslosen im AMS höchste Priorität haben. Dazu bedarf es möglichst persönlicher Betreuung und Unterstützung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des AMS und einer weiterhin konsequenten Sanktionierung bei Ablehnung von zumutbaren Jobs. Potenzielle Arbeitgeberbetriebe, aber auch Arbeitsuchende sollten noch flexibler werden und sich gegenseitig – etwa über eine Arbeitserprobung – eine Chance geben!«

Statement der AN-Kurie im AMS-Landesdirektorium (Mag. Rudolf Moser, AKOÖ)

Langzeitarbeitslose und benachteiligte Jugendliche haben es am Arbeitsmarkt nach wie vor extrem schwer

Die nach wie vor inakzeptabel hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen (trotz leichter Rückgänge zuletzt) erfordert weiterhin verstärkte Bemühungen, die Betroffenen wieder in Beschäftigung zu bringen. Für Gewerkschaft und Arbeiterkammer ist wichtig, das oö. RESTART-Programm zu erweitern. Die Landesförderung für Gemeinden muss dazu auch für gemeinnützige Träger gelten und angehoben werden. Kombiniert mit Qualifizierungsmodulen ermöglicht dies in vielen Fällen eine nachhaltige berufliche Wiedereingliederung. Perspektivisch ist unser Ziel eine Jobgarantie für (ältere) Langzeitarbeitslose.

Mehr Personal für Pflege und Kinderbetreuung

Die vergangenen zwei Jahre haben vor Augen geführt, wie wichtig das Gesundheitssystem und verfügbare Kinderbetreuung sind. Dem ist durch eine deutliche Personalaufstockung Rechnung zu tragen – verbunden mit
einer Ausbildungsoffensive. Jugendliche und speziell Erwachsene für derartige Ausbildungen zu gewinnen, muss beim AMS den gleichen Stellenwert erhalten, wie bislang die Qualifizierung in technischen Berufen.   

»Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen«

Für Arbeitslose ist im Vorfeld eine persönliche Beratung für eine erfolgreiche berufliche Neuorientierung inklusive Ausbildung notwendig. Deshalb kämpfen Gewerkschaft und Arbeiterkammer auch für mehr
AMS-Personal, damit sich die Berater/-innen intensiver um ›ihre‹
Arbeitslosen kümmern können. Klar ist, dass Verschärfungen bei den
Zumutbarkeitsbestimmungen und Kürzungen beim Arbeitslosengeld abgelehnt werden. Mit dem Qualifizierungsgeld liegt bereits ein von AK und Gewerkschaft erarbeiteter Vorschlag vor. Und auch die Verlängerung der von den oö. Sozialpartnern mitfinanzierten Zukunftsstiftung bis Ende 2022 bietet ein attraktives Angebot. Die Arbeitsstiftung bietet die Chance zur Um- bzw. Höherqualifizierung.

Jeder Jugendliche braucht eine solide Ausbildung

Wir müssen mehr Kreativität entwickeln, um einerseits Jugendliche von der Sinnhaftigkeit und den langfristigen Vorteilen eines Berufsabschlusses zu überzeugen und andererseits benachteiligten Jugendlichen, die von Betrieben abgelehnt werden, überbetriebliche Qualifizierungsangebote zu
bieten. Und wir müssen den jungen Menschen mindestens eine zweite Chance geben – wenn sie etwa mit 20 oder 25 Jahren motiviert sind, eine abgebrochene Ausbildung wieder fortzusetzen oder erstmals eine Berufsausbildung in Angriff zu nehmen. Hier wird sich die Arbeiterkammer nicht nur mit Ideen einbringen, sondern auch innovative Projekte im Rahmen der Jugend-Ausbildungsoffensive finanzieren.

Diese Seite wurde aktualisiert am: 09. Februar 2022