Mit neuen Strategien zu (noch) mehr Fachkräften

Information des AMS-Landesdirektoriums


  • Veröffentlicht 06.02.2023
  • Bundesland Oberösterreich

AMS-Arbeitsprogramm 2023

"Seit April 2021 erleben wir in Oberösterreich eine beispiellose Nachfrage nach Arbeitskräften", betont AMS-Landesgeschäftsführer Gerhard Straßer. "Trotz eines krisenhaften politischen Umfelds samt wirtschaftlichen Verwerfungen ist dieser Trend bislang ungebrochen. Inflation und Teuerung werden die mittelfristige Entwicklung bestimmen. Die Arbeitskräfteknappheit wird uns jedoch langfristig beschäftigen – schon die demografischen Daten sprechen dafür."

Alle Kräfte bündeln

Das AMS OÖ rüstet sich für die aktuellen Herausforderungen mit einem fünfteiligen Strategieprogramm, das die operativen Tätigkeiten im Jahr 2023 leiten wird. Die Schlagworte dazu lauten:

•          Alternative Vermittlungs- und Beratungsformen

•          Zusammenarbeit in der Jugendberatung

•          Neue Kursdesigns für lernferne Menschen

•          Datenqualität als Basis künftiger Entwicklungen

•          Mitarbeitende optimal einsetzen ('Organisation Neu')

"Unser erklärtes Ziel ist eine aktive und gute Vermittlung von Personal für Unternehmen bzw. von passenden Arbeitsplätzen für Jobsuchende", unterstreicht Straßer. "Wo es möglich ist, werden Arbeitsuchende unmittelbar nach einer Arbeitslosmeldung weitervermittelt (Early Intervention). In Zeiten des Wettbewerbs um Arbeitskräfte müssen Betriebe schneller entscheiden und das AMS OÖ unterstützt dabei – und wird das Tempo ebenfalls erhöhen. Die Vermittlung wird in Richtung
Kompetenzen und persönlicher Skills umgestellt. Davon erwarten wir uns eine deutliche Dynamisierung unserer Vermittlungsmöglichkeiten und des
Arbeitsmarkts."

Kein mutwilliges Parken von Arbeitskräften – keine Kurzarbeit

Angesichts der generellen Arbeitskräfteknappheit akzeptiert das AMS OÖ Einstellzusagen eines neuen Arbeitgebers und Wiedereinstellzusagen nur bis zu einer Laufzeit von sechs Wochen. Lediglich in den witterungsabhängigen Branchen (Bau, Baunebengewerbe und Landwirtschaft) werden Laufzeiten von bis zu drei Monaten akzeptiert. "Das Zwischenparken von Arbeitskräften beim AMS ist bei der aktuell hohen Nachfrage nicht akzeptabel", betont Straßer. "Unternehmen riskieren zudem, dass sie Mitarbeitende an den Mitbewerb verlieren." Ende Jänner hatten 11.360 Arbeitsuchende eine (Wieder-)Einstellzusage.

Seit November 2022 gibt es in Oberösterreich keine Fälle von Kurzarbeit mehr. Auch hier verfolgt das AMS OÖ eine konsequente Linie: "Wir können nicht unterbeschäftigte Arbeitskräfte mit öffentlichen Mitteln finanzieren, während gleichzeitig andere Betriebe die Leute dringend benötigen", so Straßer.

Qualifizierungsschwerpunkte

Für Förderangebote stehen dem AMS OÖ heuer € 153,2 Mio. (2022: € 188,5 Mio.) zur Verfügung. In der Jugendarbeit wird sich das AMS OÖ mit den weiteren Playern auf dem Arbeitsmarkt enger vernetzen und die Angebote bündeln. Die starke Nachfrage nach Arbeitskräften hat allerdings dazu geführt, dass es schwierig wird, das vorhandene Arbeitskräftepotenzial für längerfristige Schulungen zu begeistern. "Wir setzen jetzt auf kürzere, kompakte Ausbildungen", erklärt Straßer. "Für 'lernferne' Menschen werden Kursinhalte individualisiert und der Einsatz von digitalen Lernsystemen forciert."

Die 2022 erfolgreiche Bau-Basisausbildung wird im Frühjahr 2023 wiederholt. Die Ausbildungen in der CodersBay (Coding und IT-Technik) stoßen auf reges Interesse. Zudem forciert das AMS OÖ die Ausbildungsmöglichkeiten in der Umweltstiftung – diese reichen von Kurzqualifikationen bis zu Hochschulausbildungen.

Gezielte Betreuungsstrategien

"Für Unternehmen mit Personalbedarf setzen wir auf gezielte, individuelle Betreuungs- und Beratungsstrategien", erläutert Iris Schmidt, stv. AMS-Landesgeschäftsführerin. "Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Service für Unternehmen, Service für Arbeitskräfte und Förderungen schnüren gemeinsam mit den Firmen ein Gesamtpaket an Maßnahmen, die die Recruitingchancen verbessern. Geplant sind dafür Workshops und gemeinsame Qualifizierungsprojekte mit Unternehmen sowie Trainings für unsere Mitarbeiter_innen. Ziel ist der Ausbau unserer Beratungskompetenz auf Augenhöhe mit unseren Arbeitsuchenden und Firmenkund_innen."

Im Zuge dieses Beratungsangebots für Unternehmen mit höherem Personalbedarf werden alle Aspekte durchleuchtet, die für ein erfolgreiches Recruiting relevant sind. Daher werden auch mögliche Hürden und Hindernisse diskutiert – etwa unattraktive Arbeitszeiten oder eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Aber auch die bisherigen Suchstrategien der Unternehmen werden durchleuchtet und bei Bedarf modifiziert. Die Lösungsansätze werden dabei gemeinsam mit dem Unternehmen erarbeitet.

Organisation Neu

Das AMS befindet sich gerade in einer Phase der Umorganisation. Um die Services rasch und treffsicher anbieten zu können, wird in allen Geschäftsstellen ein Erst-Service eingerichtet. Vor allem gibt es künftig eine klare Trennung zwischen Termin- und Spontan-Betrieb. "Die Neuorganisation schafft eine effiziente Servicestruktur für unsere Kundinnen und Kunden", erläutert Schmidt. "Wir erwarten uns von den Neuerungen eine Steigerung der Betreuungsqualität und sorgen für einen optimalen Einsatz unserer Mitarbeitenden."

Mag. Thomas Buchegger (Industriellenvereinigung Oberösterreich, Mitglied des AMS-Landesdirektoriums):

Arbeitskräftemangel bleibt zentrale Herausforderung - Beschäftigungsanreize stärken

Der OÖ. Arbeitsmarkt entwickelte sich 2022 trotz eines sehr herausfordernden Umfelds und sehr heterogener Lage in den unterschiedlichen Branchen überaus positiv. Mit über 700.000 unselbständig Beschäftigten stehen im Land so viele Menschen in einem Dienstverhältnis wie nie zuvor, wenngleich jedoch die geleisteten Arbeitsstunden aufgrund des Trends zur Teilzeit noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht haben.

Von einem signifikanten Anstieg der Arbeitslosigkeit ist auch weiterhin nicht auszugehen, im Gegenteil wird die demographische Entwicklung die Nachfrage nach Arbeitskräften langfristig weiter erhöhen. Der seit Jahren immer stärker um sich greifende Arbeitskräftemangel bleibt 2023 und darüber hinaus das dominierende Thema des Standortes. In den nächsten zwölf Jahren werden österreichweit rund 540.000 Fach- und Arbeitskräfte fehlen. Der Standort braucht in allen Bereichen - vom Gesundheitssystem über die Pädagogik bis zu Industrie und Dienstleistung - Arbeitskräfte.

Die IV hat mit dem Paket „Leistung muss sich (wieder) lohnen“ zehn schnell umsetzbare Maßnahmen vorgelegt. Sie gelten für ältere Menschen, die weiterarbeiten wollen, obwohl sie bereits das Regelpensionsalter erreicht haben, für Beschäftigte, die Überstunden leisten und zu Nachtarbeit bereit sind oder von Teilzeit in die Vollzeit wechseln wollen.

Freiwillig etwas mehr zu arbeiten hätte viele positive Effekte, nicht nur am Arbeitsmarkt, sondern auch für den Staatshaushalt, die Finanzierung des Sozialsystems und letztlich den Erhalt des Wohlstandes. Arbeitszeitverkürzung hingegen verschärft die Probleme und führt zu weiteren Leistungseinschränkungen in allen Sektoren. Es müssen daher alle Potenziale am Arbeitsmarkt gehoben werden, damit Oberösterreich als Standort attraktiv bleibt.

Das AMS muss die ausreichend hohen Budgetmittel, die sich in diesem Jahr analog dem Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 20 Prozent reduzieren, für ein zukunftsorientiertes und effizientes Arbeitsmarktmanagement einsetzen. Schulung, Vermittlung und Organisation müssen in puncto Innovation, Flexibilität und Mobilität auf die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften ausgerichtet sein. Neben dem Abbau noch bestehender Langzeitarbeitslosigkeit und der Qualifizierung von Asylberechtigten braucht es dazu aber auch gezielte qualifizierte Zuwanderung und die Erhöhung der Arbeitsmobilität innerhalb Österreichs. Auch gilt es, beschäftigungsfördernde Maßnahmen, wie Eingliederungsbeihilfe und Kombilohn weiter zu stärken.

Im Fokus des AMS steht daher heute und in Zukunft nicht mehr die Verwaltung von Arbeitslosigkeit, sondern die konsequente Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials am Standort Oberösterreich.

 

Stefan Guggenberger (Österreichischer Gewerkschaftsbund, Landesorganisation Oberösterreich, Mitglied des AMS-Landesdirektoriums):

Neues Jahr erfordert zukunftsweisende und ermutigende Arbeitsmarktpolitik

Das AMS steht vor großen Herausforderungen. Die Bundesregierung kürzt das AMS-Förderbudget und drängt trotz Konjunktureinbruch und steigender Kosten auf eine Reduktion beim AMS-Personal. Gleichzeitig wird der Klimawandel zu großen Veränderungen unseres Wirtschaftssystems führen, auf die die Arbeitsmarktpolitik  reagieren muss. Nach wie vor haben ältere oder gesundheitlich eingeschränkte Arbeitsuchende, Frauen mit Betreuungspflichten, Arbeitslose mit 'falschen' bzw. unzureichenden Qualifikationen Schwierigkeiten, einen Job zu finden. Auch weil Betriebe ihre unrealistischen Qualifikations- und Flexibilitätserwartungen an Bewerber/-innen nur langsam anpassen.

Veränderung braucht Unterstützung

Arbeitsuchende, die sich beruflich neu orientieren müssen bzw. wollen, brauchen eine wertschätzende, persönliche Beratung. Für eine solche vertrauensvolle Beziehung brauchen die AMS-Mitarbeiter/-innen genug Zeit, um sich mit den Bedürfnissen, Kompetenzen und Einschränkungen der Betroffenen intensiv auseinanderzusetzen zu können. Menschen sind motiviert, veränderungswillig und mutig, wenn sie Perspektiven bekommen. Massive finanzielle Strafen bei kleinsten Fehlern oder Unkenntnis sind sicher nicht förderlich. Es braucht daher eine Arbeitsmarktpolitik weg von Angst und Sanktionen, hin zu einer Arbeitsmarktpolitik des Mutes und der Förderung. Denn AMS-Sanktionen bringen Menschen nicht in Beschäftigung und bewirken keine niedrigere Arbeitslosigkeit. So gibt es etliche Regionen (auch einige Bezirke in Oberösterreich) mit hervorragenden Arbeitsmarktkennzahlen und nur wenigen Sanktionen. An diesen Beispielen muss sich die Landesgeschäftsführung des AMS orientieren, damit sich unser Bundesland durch gute Vermittlungszahlen und nicht durch hohe Sanktionsquoten auszeichnet.

Verschiedene Qualifizierungsmodelle für unterschiedliche Zielgruppen

Für viele Arbeitslose wird Weiterbildung der Schlüssel für eine neue Beschäftigung sein. Dazu brauchen wir aber praxistaugliche Bildungsangebote, die für unterschiedliche Zielgruppen maßgeschneidert sein müssen. Im Sinne dieses vielfältigen Angebots haben wir die von den oö. Sozialpartnern mitfinanzierte Zukunftsstiftung bis Ende 2023 verlängert. Das seit Jahresbeginn geltende Pflegestipendium erfüllt diese Bedingungen (noch) nicht. Generell brauchen wir eine bessere Existenzsicherung während der Schulungen. Eine höhere Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld wäre die einfachste und beste Lösung.

Ein gelungener Berufsstart für alle Jugendlichen 

Wir müssen benachteiligten Jugendlichen, die von Betrieben abgelehnt werden, überbetriebliche Qualifizierungsangebote bieten. Und wir müssen den jungen Menschen mindestens eine zweite Chance geben, wenn sie etwa mit 20 oder 25 Jahren motiviert sind, eine abgebrochene Ausbildung fortzusetzen oder erstmals eine Berufsausbildung in Angriff zu nehmen. Die Ausbildungsbeihilfe für diese jungen Erwachsenen muss deutlich angehoben werden, damit Ausbildungen leistbar sind (die 'Jugendlichen-DLU' in Höhe von 372,60 Euro monatlich ist derzeit kein Anreiz).

Langzeitarbeitslosigkeit – Chance und Herausforderung

Angesichts der Heterogenität dieser immer noch großen Gruppe sind dazu mehrere verschiedene Instrumente notwendig. Ein wesentliches ist aus Sicht der Arbeitnehmerkurie ein öffentliches Beschäftigungsprogramm. Mit einer Verlängerung und Ausweitung des RESTART-Programms können wir Langzeitarbeitslose eine Beschäftigung im kommunalen/gemeinnützigen Bereich anbieten, wobei angesichts des enormen Personalbedarfs in diesem Bereich die Chancen auf Weiterbeschäftigung auch nach Förderende gut sind.

 

Diese Seite wurde aktualisiert am: 06. Februar 2023