Werte, die über Arbeitskraft hinausgehen: Am 3. Dezember ist „Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung“

Ende November sind im Bundesland Salzburg 14.765 Personen arbeitssuchend beim AMS vorgemerkt, um 4,6 Prozent bzw. 646 Personen mehr als im Vergleich zum Vorjahr. Davon haben 21,9 Prozent (das sind 3.239 Personen) gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine Zunahme von 8,1 Prozent (+242 Personen).


  • Veröffentlicht 02.12.2025
  • Bundesland Salzburg

Noch auffälliger ist dieser Anteil in der Gruppe jener Personen, die länger als ein Jahr ohne Job sind, hier sind es 62,6 Prozent der Langzeitbeschäftigungslosen. Von den 2.282 langzeitbeschäftigungslosen Menschen Ende November haben 1.428 gesundheitliche Vermittlungseinschränkungen (+17,4 Prozent bzw. +212 Personen im Vergleich zum Vorjahr). 

Eine intensive Betreuung, die auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt abzielt, ist beispielsweise durch die berufliche Rehabilitation des AMS Salzburg möglich. Sie kommt Menschen und Betrieben zugute.

Gerhard Schierhuber vom AMS Salzburg sensibilisiert Dienstgeber_innen für die Beschäftigung von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und anerkannten Behinderungen. Gesundheitliche Einschränkungen reichen von Krebs, über Multiple Sklerose, Bandscheibenproblemen bis hin zu psychischen Erkrankungen. Von anerkannter Behinderung spricht man bei einem Grad der Behinderung von mehr als 50 Prozent. „Wobei der Grad der Behinderung (GdB) nicht gleichzusetzen ist mit der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MDE). Das heißt, mit einem Grad der Behinderung von 70 Prozent ist man nicht 70 Prozent weniger leistungsfähig! Ich sehe meine Arbeit auch als Aufklärung und Sensibilisierung“, erklärt Schierhuber, der auch als Vernetzer zwischen AMS, Pensionsversicherung, Sozialministeriumservice, Wirtschaftskammer, externen AMS-Partner_innen und dem Netzwerk Berufliche Assistenz (NEBA) fungiert.

Für den 55-jährigen Experten ist sein Beruf gleichsam Berufung: Im Alter von 17 Jahren während seiner Lehre zum Tapezierer und Dekorateur hatte er einen schweren Radunfall. Nach 13 Monaten im Krankenhaus und diversen Reha-Aufenthalten konnte er seine Lehre mit Unterstützung seines damaligen Chefs zwar beenden, aber eine Zukunft in dieser Branche war aufgrund der bleibenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht möglich. Durch das Arbeitsmarktservice wurde Schierhuber eine freiwillige berufliche Reha (Umschulung zum Bürokaufmann) ermöglicht. Nach einer Stelle beim Landesinvalidenamt (heutiges Sozialministeriumservice) wechselte er zum AMS, wo er mittlerweile Dienstgeber_innen zeigt, was Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen leisten können und ist selbst natürlich das beste Beispiel dafür. „Wenn meine Gesprächspartner_innen sehen, was ich selbst leisten kann, bringt das viele zum Umdenken“, sagt er. 

73 Betriebsbesuche hat Schierhuber allein im Jahr 2025 mittlerweile absolviert. Und jedes Mal ist ihm auch die Aufklärung darüber wichtig, dass nur drei Prozent der gesundheitlichen Einschränkungen von Geburt an da sind, 97 Prozent kommen im Laufe des Lebens. Das geschieht beispielsweise durch Schicksalsschläge wie einen Schlaganfall, einen Tumor, chronische Erkrankungen oder ein Unglück wie einen schweren Verkehrsunfall oder einen Sturz. „80 Prozent der gesundheitlichen Einschränkungen sind nicht sichtbar, nur 20 Prozent davon lassen sich etwa durch einen Rollstuhl, ein Hörgerät oder eine Gehbehinderung erkennen.“ Durch dieses Wissen werden Dienstgeber_innen und Dienstnehmer_innen gleichermaßen sensibilisiert, dass sich für jeden das Leben von heute auf morgen ändern kann. „Umso wichtiger ist es, vorzuleben, dass man vom Betrieb nicht fallengelassen wird und zu wissen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt.  

„Ich schätze die Arbeit von Gerhard Schierhuber sehr. Als Reha-Berater für das AMS Salzburg ist er nicht nur in ständigem Austausch mit unseren Unternehmenskund_innen, sondern auch mit anderen Institutionen, Gemeinden und unseren sechs regionalen Geschäftsstellen. Seine Arbeit stellt einen wichtigen Beitrag zu unserem Auftrag ‚Wir verbinden Menschen und Arbeit‘ dar. Die Integration von Menschen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen ist eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung“, streut ihm Julia Kröll, interimistische Landesgeschäftsführerin des AMS Salzburg, Rosen.  

Schluss mit Vorurteilen

Auch mit Vorurteilen räumt Gerhard Schierhuber gerne auf. „Der Kündigungsschutz tritt bei Neueinstellungen eines anerkannt Behinderten mit Feststellungsbescheid erst nach dem vierten Beschäftigungsjahr in Kraft. Das heißt, diese Person muss zuvor bereits vier Jahre bei der Firma gearbeitet haben. Bis dahin hätte der Arbeitgeber somit genügend Zeit, sich einen Eindruck zu machen, denn wenn jemand so lange im Betrieb ist, dann kann man sicherlich auch davon ausgehen, dass die Person gut arbeitet.“ 

Schierhuber ist auch Experte für die zahlreichen Förderungen, die für Dienstgeber_innen, die eine Person mit gesundheitlichen Einschränkungen einstellen möchten, zur Verfügung stehen: Beispielsweise kann – bis zu zwölf Wochen – ein Arbeitstraining absolviert werden. „Das kostet dem Dienstgeber nichts, der Arbeitsnehmer arbeitet im Betrieb und wird über das AMS angemeldet“, erklärt der REHA-Berater. Bis zu vier Wochen kann eine sogenannte Arbeitserprobung in Anspruch genommen werden. Auch eine Eingliederungsbeihilfe, eine Arbeitsassistenz oder eine Lehrstellenförderung sind möglich. Nach Ablauf der Eingliederungsbeihilfe des AMS gibt es für Personen mit einem Feststellungsbescheid Fördermöglichkeiten über das Sozialministeriumservice.

„Dienstgeber_innen und Personalverantwortliche sind offener für Inklusion geworden“, spürt Schierhuber eine Vorwärtsbewegung in der Gesellschaft. Und dabei gehe es gar nicht um Vermeidung der Ausgleichstaxe für Betriebe. „Wenn der Mensch ins Team passt und qualifiziert ist, ist seine Einschränkung fast nie ein Problem.“

Ein Umdenken sei im Arbeitsmarkt auch in Bezug auf Prävention zu spüren, so Schierhuber. „Viele gesundheitliche Einschränkungen oder Krankheiten wären zu vermeiden“, meint Schierhuber. Dienstgeber_innen hätten dies längst erkannt und würden mehr Gesundheitsvorsorge integrieren bzw. ermöglichen. „Aber jede_r muss auch auf sich selbst schauen und in sich hinein hören. Ich möchte alle Leute motivieren, positiver zu sein. Hauptsache ist doch, ein Ziel vor Augen zu haben, auch wenn das Ziel vielleicht erst morgen erreicht wird“, lacht Schierhuber. 

Reha-Berater Gerhard Schierhuber mit Julia Kröll, interimistische Landesgeschäftsführerin des AMS Salzburg
Reha-Berater Gerhard Schierhuber mit Julia Kröll, interimistische Landesgeschäftsführerin des AMS Salzburg Foto: AMS/Ebner

Diese Seite wurde aktualisiert am: 02. Dezember 2025