Wenn Firmen zu wählerisch sind

Die Arbeitsmarktreform soll Anreize für Arbeitslose bringen, rascher einen Job aufzunehmen. Die Rolle der Unternehmen sei in der Diskussion unterbelichtet, finden Ökonomen.


  • Veröffentlicht 22.08.2022
  • Bundesland Steiermark

Der Bäcker, der Tischler, das Bekleidungsgeschäft, das Hotel. Und der Industriebetrieb sowieso. An allen Fronten werden in Österreich Arbeitskräfte gesucht. Man spricht nicht mehr allein vom Fachkräftemangel, sondern von einem generellen Mangel an Arbeitskräften.

Nur eineinhalb Jahre nach der Coronakrise hat sich der österreichische Arbeitsmarkt wieder erholt – viel schneller, als es die Experten erwartet hatten.

Ende Dezember 2021 waren beim Arbeitsmarktservice (AMS) 102.193 sofort verfügbare offene Stellen gemeldet. Das waren um 101,9 Prozent mehr als ein Jahr davor. Der Grund für den Stellenrekord war die aufgeschobene Suche nach Mitarbeiter_innen sowie der Wirtschaftsaufschwung.

Heuer ist eine Arbeitsmarktreform geplant. Die dabei vorgegebenen Ziele fokussieren allerdings ausschließlich auf das Verhalten der Arbeitslosen.
Diese Diskussion zielt zu stark auf die Rolle der Arbeitslosen ab.
Die Rolle der Firmen ist dabei unterbelichtet. Denn die Unternehmen üben mit ihrem Einstellungs- und Kündigungsverhalten und ihrer Arbeitsplatzgestaltung entscheidenden Einfluss auf die Arbeitslosigkeit und die Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung aus.

Vor allem in Saisonbranchen, wie auf dem Bau oder im Tourismus, ist es üblich, Arbeitskräfte beim AMS „zwischenzuparken“. Dabei beenden Betriebe in Zeiten geringerer Auslastung Arbeitsverhältnisse vorübergehend und stellen dieselben Arbeitskräfte wieder ein, wenn sich die Auftragslage gebessert hat.

Eine Möglichkeit dieses Verhalten zu ändern, wäre, Anreize zu schaffen, um dies weniger attraktiv zu machen. Etwa ein „Experience Rating“ in der Arbeitslosenversicherung.

So ein System gibt es beispielsweise in den USA: Unternehmen, die Arbeitslosigkeit vermeiden, zahlen geringere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Auch ein Bonus-Malus-System, wonach Betriebe mit einem höheren Anteil an älteren Arbeitslosen weniger in die Versicherung einzahlen, wäre ein Anreiz, diese Gruppe länger zu behalten.

Die Unternehmen beeinflussen das Arbeitslosigkeitsrisiko der Arbeitskräfte mit vielen Entscheidungen. Unter anderem dadurch, ob sie auch Langzeitbeschäftigungslosen, gesundheitlich Eingeschränkten oder Älteren eine Chance geben. Oder ob sie generell bereit sind, Stellen mit Arbeitslosen zu besetzen.

Die Unternehmen in Österreich konnten lang aus einer sprudelnden Quelle an Arbeitskräften schöpfen. Sie profitierten davon, dass mehr Frauen, Ältere und Migranten auf den Arbeitsmarkt drängten.

Aber diese Menschen werden zunehmend in ihren Herkunftsländern gebraucht.

Außerdem gehen die Babyboomer in Pension und weniger Junge kommen nach. Auf diese neuen Realitäten werden sich die Unternehmen einstellen müssen.

Diese Seite wurde aktualisiert am: 22. August 2022