Aktuelle Themen und Herausforderungen des SFU

Interview „Meine Steirische“ mit Geschäftsstellenleiterin Sabine Gaßner: Aktuelle Themen und Herausforderungen des SFU


  • Veröffentlicht 27.09.2022
  • Bundesland Steiermark

Meine Steirische:
Der regionale Arbeitsmarkt zeichnet sich zurzeit durch ein steigendes Stellenangebot (Stand 19.08.22: 1186 offene Stellen) und durch sinkende Arbeitslosenzahlen aus. Jetzt könnte man die einfache Rechnung aufstellen, dass es für jede_n im Bezirk einen Arbeitsplatz gibt. Warum geht die Rechnung nicht auf?

Gaßner:
Wir haben derzeit Hochkonjunktur – das Angebot an offenen Stellen passt in puncto Qualifikation, Mobilität, … kaum mit den Rahmenbedingungen der vorgemerkten Kund_innen zusammen. Wobei die Bereitschaft der UN auch branchenfremde Menschen einzuschulen und zu beschäftigen zugenommen hat und wir gemeinsam mit den Unternehmen an unterschiedlichsten Umsetzungsmodellen arbeiten u.a. arbeitsplatznahe Qualifizierungen (Stiftungen, Aqua)

Meine Steirische:
In welchen Branchen gibt es derzeit die meisten offenen Stellen?

Gaßner:
In ALLEN Branchen gibt es Personalbedarf – es gibt allerdings Branchen die medial besser vertreten sind u.a. Tourismus oder Pflege und damit mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Meine Steirische:
Aber nicht nur offene Stellen können nicht ausreichend besetzt werden, es gibt auch einen Überhang an offenen Lehrstellen. Worin liegen die Gründe?

Gaßner:
Hier liegt die Hauptursache in der demographischen Entwicklung des Murtals in den letzten Jahren.

Meine Steirische:
Welche Ansatzpunkte zur Besetzung der offenen Lehrstellen bietet das AMS bzw. was raten Sie Firmen? Was jungen Menschen?

Gaßner:
Jugendlichen raten wir sich am AMS als lehrstellensuchend vormerken zu lassen und zur Berufswahl eine BIZ-Beratung in Anspruch zu nehmen – neben der kompetenzorientierten Beratung prüfen wir auch die Möglichkeit der Umsetzung des erarbeiteten Berufsbildes in der gewünschten Beschäftigungsregion (nicht alle Berufsbilder werden auch in allen Regionen angeboten!). Es ist uns wichtig den Jugendlichen die Vielfältigkeit der Chancen in der Region aufzuzeigen.

Kontaktdaten BIZ: E-Mail

Firmen raten wir den Lehrlingsbedarf ehest möglich über das AMS zu veröffentlichen. Zusätzlich sollten aber sehrwohl die Social Media Kanäle als auch der persönlichen Kontakt nicht vernachlässigt werden. Betriebsbesichtigungen geben Jugendlichen und auch Eltern den Einblick in das Unternehmen und in den Lehrberuf und tragen so maßgeblich zur Entscheidungsfindung bei.

Meine Steirische:
Immer wieder hört man, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber_innen- zu einem Arbeitnehmer_innen-Markt wandelt. Was ist darunter zu verstehen?

Gaßner:
Die Arbeitslosigkeit und damit das verfügbare Arbeitskräftepotenzial sinkt stetig, bei einer gleichzeitig enormen Nachfrage nach zusätzlichem Personal seitens der Wirtschaft. Dieser Arbeits- und Fachkräftemangel bietet Jobsuchenden andererseits zahlreiche berufliche Möglichkeiten – wir bewegen uns also immer deutlicher in Richtung Arbeitnehmer_innenmarkt. Die heimischen Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass sich diese Situation in den kommenden Jahren kaum verändern wird.

Meine Steirische:
Was sind die Größten Hürden für das AMS, arbeitsuchende Personen und Unternehmen zusammenzubringen?

Gaßner:
Wir haben die niedrigsten Arbeitslosenzahlen der letzten Jahrzehnte, zusätzlich fehlen ausländische Arbeitskräfte die nach der Corona-Zeit nicht mehr nach Österreich zurückgekehrt sind.

Die unterschiedlichen Erwartungshalten in puncto zukünftiges Personal der Unternehmen bzw. zukünftiger Arbeitgeber_innen der Kund_innen machen es teilweise schwierig Lösungsansätze in der Vermittlung zu finden. Teilweise fehlt die Bereitschaft beider Seiten an Lösungen in puncto Arbeitszeitmodelle, Mobilität, … zu arbeiten.
Es braucht Strategien um zumindest an mehr Bewerber_innen zu kommen, wir müssen in Chancen und Kompetenzen denken und nicht immer „was nicht (mehr) geht“

Meine Steirische:
Eine Frage die Firmen beschäftigt: Wie komme ich zu Fachkräften oder überhaupt Arbeitskräften? Gibt es überhaupt noch ungenützte Potentiale am Arbeitsmarkt?

Gaßner:
Eine Stellenausschreibung über das AMS unterstützt hier maßgeblich. Über unsere Homepage www.ams.at/allejobs suchen nicht nur arbeitslose Personen neue Jobs sondern auch interessierte Jobwechsler_innen.

Unsere Ma_innen beraten bezügl. Realisierbarkeit der Besetzung der Stellenausschreibung und besprechen auch Alternativen wie z.B.: die Adaptierung der Stellenausschreibungen um an mehr Bewerbungen zu kommen, den Einsatz von diversen Förderprodukten, etc.

Es gibt ungenützte Potentiale für Unternehmen dort, wo Firmen es unseren Kund_innen nicht zutrauen den Anforderungen des Unternehmens gerecht zu werden. Bei „Frauen in die Technik“ (FIT), Einstellung von Migrant_innen mit Defizite in der deutschen Sprache, …gibt es zahlreiche Beispiele die dies widerlegen.

In Kooperation mit dem SZF und dem ZAM arbeiten wir an regionalen Konzepten mit den Unternehmen.

Meine Steirische:
Frauen sind am Arbeitsmarkt immer noch benachteiligt, da einerseits unter Frauen die Erwerbsquote niedriger und die Teilzeitquote sehr hoch im Vergleich zu Männern ist. Kann man sagen, dass Frauen eine ungenutzte Arbeitskräftereserve sind? Was können das AMS und auch Firmen tun, um dieses Arbeitskräftepotential zu fördern?

Gaßner:
Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist in den letzten Jahren zwar kontinuierlich gestiegen, dennoch sind sie am Arbeitsmarkt strukturell benachteiligt. Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet Teilzeit – meist aufgrund tradierter Rollenklischees, Kinderbetreuungspflichten oder der Pflege von Angehörigen. Frauen sind aber so gut ausgebildet wie nie zuvor und unverzichtbar für den Arbeitsmarkt.

Wir müssen in Chancen denken. Von Seiten des AMS ist es wesentlich Aufklärungsarbeit zu leisten – sowohl für Frauen als auch für Unternehmen und auch Lösungsansätze bieten.

Die Frauen werden vom AMS durch das ZAM (Zentrum für Ausbildungsmanagement) unterstützt und die Vermittlung und Ausbildung nach Kompetenzen steht im Mittelpunkt unseres Handelns.

Meine Steirische:
Hat sich der Ukrainekonflikt auf den regionalen Arbeitsmarkt ausgewirkt? Welche Möglichkeiten gibt es aktuell, Arbeitskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren?

Gaßner:
Derzeit haben 50 Ukrainer_innen eine Beschäftigung im Murtal gefunden und damit eine offene Stelle besetzt – auch mit mangelnden bzw. keinen Deutschkenntnissen.

Mögliche Arbeitskräfte aus dem EU-Raum sind bewilligungsfrei und können eine Beschäftigung in Österreich unkompliziert aufnehmen.

Aus Drittstaaten bedarf es eine Prüfung der Voraussetzungen – die Kolleg_innen des Ausländerfachzentrums des AMS Steiermark stehen diesbezüglich per  E-Mail gerne für Fragen zur Verfügung.

Meine Steirische:
Welche Angebote bietet das AMS den Unternehmen in Zeiten der Veränderungen? Gaßner:

Wir beraten zu aktueller Arbeitsmarktlage, Personalsuche, Förderungen – und wir sind auch gut mit regionalen Partnern der Region vernetzt und suchen hier nach Synergien und Kooperationen.

Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten braucht es oft einen Blick von Außen um wieder Klarheit zu bekommen. Von Seiten des AMS haben wir für Unternehmen eine kostenlose, externe Beratungsleistung von Seiten Deloitte/ÖSB – die „Impulsberatung on demand“.

Im Rahmen der Impulsberatung on-demand unterstützen wir Unternehmen bei der Entwicklung von Handlungsoptionen für besondere Herausforderungen, personalwirtschaftliche Fragen und organisatorische Anpassungen. Von uns beauftragte Impulsberater_innen begleiten dabei, passende

Lösungen zu finden und notwendige Veränderungen wirkungsvoll in den Betriebsalltag zu integrieren. Die Mitarbeiter_innen des Service für Unternehmen stehen diesbezüglich gerne für Fragen zur Verfügung – E-Mail

Meine Steirische:
Nach 2 Jahren Pandemie konnte das SfU des AMS wieder auf Firmentour gehen. Welche Rückmeldungen haben Sie bekommen? Was lernen Sie daraus?

Gaßner:
Sich wieder persönlich zu sehen und sich auszutauschen tut allen gut – von beiden Seiten ist die Wertschätzung in der Zusammenarbeit gestiegen. Die Problematik des akuten Personalbedarfs war und ist natürlich ständig präsent. Betriebe und SFU Ma_innen arbeiten gemeinsam an Lösungsansätzen um zumindest mehr Bewerbungen zu bekommen - dies ist schlussendlich die Basis um über mögliche Qualifizierungskonzepte und Förderungen nachzudenken um diese Personen in den Unternehmen beschäftigen zu können.

Meine Steirische:
Unternehmen sind mit der Arbeit des AMS ist sehr zufrieden. Wo sehen Sie den Schlüssel des Erfolgs?

Gaßner:
Wir machen keine leeren Versprechungen und denken in Chancen - Chancen für die Unternehmen in puncto Personalsuche und auch Chancen für unsere Personenkund_innen für eine mittelfristige Lösung des Beschäftigungsproblems.

Meine Steirische:
Eine abschließende Frage: Eine Vorhersage des momentan sehr beweglichen Arbeitsmarktes ist schwierig. Können Sie trotzdem einen Ausblick für das nächste halbe Jahr geben?

Gaßner:
Die Verwerfungen am Arbeitsmarkt werden uns weiterhin beschäftigen, zwischenzeitlich kann es auch zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen. Die demographische Entwicklung wird uns aber weiterhin beschäftigen und damit auch die starke Nachfrage nach Mitarbeiter_innen.

Diese Seite wurde aktualisiert am: 26. März 2024