Steirische Wirtschaft unter Druck - Kräftiges Plus bei Arbeitslosen und Insolvenzen
Im 1. Halbjahr 2024 ist die Zahl der Firmenpleiten in der Steiermark empfindlich gestiegen. Auch bei den von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen gibt es ein starkes Plus, wie das AMS Steiermark und der Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) am Donnerstag bei einem gemeinsamen Pressetermin bekanntgaben.
Um massive 29 Prozent (367 Fälle) sind die Insolvenzen im ersten Halbjahr 2024 in der Steiermark gestiegen, so die nun vorliegenden finalen Zahlen des KSV1870. Auffällig dabei: Auch die Zahl der betroffenen Mitarbeiter hat sich erhöht. Damit ist vorerst das Ende des Trends hin zu immer kleinteiligeren Insolvenzen eingeläutet. Die schwierige wirtschaftliche Situation hat in den vergangenen sechs Monaten auch deutliche Spuren am steirischen Arbeitsmarkt hinterlassen: Die Arbeitslosigkeit stieg im Durchschnitt um 11,6 Prozent auf 35.670 betroffene Personen. Es zeigt sich insgesamt, die steirische Wirtschaft ist unter Druck. So hat sich auch laut Austrian-Business-Check-Umfrage die Geschäftslage im Frühjahr 2024 gegenüber dem Vorjahr um 19 Prozentpunkte verschlechtert.
Hohe Energiekosten und Preissteigerungen von Lieferanten, die nach wie vor hohe Inflation und ein gefühlt schlechteres Zahlungsverhalten werden seitens der steirischen Unternehmer als die häufigsten Gründe genannt, weshalb sich die wirtschaftliche Situation in den Betrieben innerhalb des vergangenen Jahres deutlich verschlechtert hat. Während im Frühjahr 2023 noch 63 Prozent (Österreich: 54 %) der Unternehmen ihre Geschäftslage positiv bewertet haben, sind es aktuell nur 44 Prozent (Ö: 50 %). Das ist hinter Kärnten (38 %) der zweitschlechteste Wert im Bundesländervergleich. Gleichzeitig fällt auch die Prognose mit Blickrichtung Jahresende 2024 ernüchternd aus: Nur 16 Prozent (Ö: 25 %) der Befragten erwarten eine Verbesserung des Status quo. „Die wirtschaftliche Lage wird für immer mehr Betriebe schwierig und schlägt auch auf Unternehmen mit vielen Beschäftigen durch. Insbesondere in der Industrie ist der aktuelle Krisenmix zuletzt deutlich spürbar. Generell wird es notwendig sein, die Talfahrt zu stoppen und Arbeitsplätze langfristig zu sichern“, so René Jonke, KSV1870 Standortleiter Graz.
Steirischer Arbeitsmarkt unter Druck
Der steirische AMS-Landesgeschäftsführer Karl-Heinz Snobe betont: „Angesichts der bisherigen rezessiven Phase war der Anstieg der Arbeitslosigkeit in dieser Höhe im 1. Halbjahr 2024 leider zu erwarten, dennoch erweist sich der Arbeitsmarkt weiter als erstaunlich robust.“ Die Arbeitslosigkeit stieg im Durchschnitt um 3.696 Personen oder 11,6 Prozent auf 35.670 betroffene Personen. Zusammen mit den 8.816 Teilnehmenden an Schulungen waren damit 44.486 Steirerinnen und Steirer ohne Beschäftigung (+11,5 %). Der Anstieg von 11,6 Prozent lag über dem Österreich-Wert von 10,2 Prozent, nur in Oberösterreich fiel das Plus mit 18,1 Prozent noch kräftiger aus.
Umsatzprognose sinkt – der Optimismus schwindet
Die aktuell schwierige Gesamtlage zeigt sich auch im Bereich der Umsatzentwicklung. Haben im Vorjahr noch 44 Prozent (Ö: 49 %) der steirischen Betriebe mit verbesserten Umsätzen bilanziert, erwarten heuer nur 24 Prozent (Ö: 31 %) ein Umsatzplus. Rund die Hälfte (52 %) der Betriebe kalkuliert mit einem gleichbleibenden Ergebnis. Das hat auch Auswirkungen auf die Investitionsfreude der Unternehmen. Denn laut KSV1870 Umfrage sind Investments in diesem Jahr von lediglich neun Prozent (Ö: 17 %) fix eingeplant. Sollte dennoch investiert werden, stehen vor allem Investments in den Bereichen Energiemanagement und „Arbeitserleichterungen für Mitarbeiter“ im Fokus.
Hälfte der Betriebe vom Arbeitskräftemangel betroffen
Wie aus dem Austrian Business Check auch hervorgeht, sind 52 Prozent (Ö: 57 %) der steirischen Betriebe vom Arbeitskräftemangel betroffen, was mittel- und langfristig systemgefährdend sein kann. Die Folgen fehlender Arbeitskräfte sind vor allem in Form von steigenden Kosten, um Mitarbeiter zu halten, hohen Zusatzbelastungen für bestehende Mitarbeiter und unvermeidbaren Umsatzeinbußen infolge von Aufträgen, die aus Ressourcengründen abgelehnt werden müssen, deutlich zu spüren. „Der Druck auf die Mitarbeiter wächst konstant. Auch, weil im Regelfall keine neuen Arbeitskräfte eingestellt werden, wenn die Wirtschaft schwächelt. Infolge hoher Belastungen rückt dadurch aber auch das Thema Gesundheit immer häufiger in den Fokus“, so Jonke.
Schwierige Situation in Bauwirtschaft und Industrie
Ein detaillierter Blick auf den steirischen Arbeitsmarkt im 1. Halbjahr 2024 zeigt Zuwächse der Arbeitslosigkeit in allen Branchen, etwa am Bau (+12,9 %) und in der Industrie (+19,4 %). „Diese beiden Wirtschaftsbereiche sind schon länger von einer negativen Entwicklung gekennzeichnet, als industriell geprägtes Bundesland ist die Betroffenheit der Steiermark größer als anderswo. In der Industrie ist es etwa der Automotive-Bereich, wo es zu Kündigungen gekommen ist und wohl weitere folgen werden, aber auch andere steirische Leitbetriebe mussten Personal abbauen“, erklärt Snobe. Entsprechend stieg die Arbeitslosigkeit bei Männern, die tendenziell eher in Bau und Industrie beschäftigt sind, stärker an als bei Frauen (14,2 % zu 7,8 %).
Deutliche Streuung in regionaler Hinsicht
In regionaler Hinsicht fällt die Streuung deutlich aus: Während es etwa in den eher industriell geprägten Bezirken Voitsberg und Weiz zu massiven Zuwächsen bei der Arbeitslosigkeit von 21,8 bzw. 21,7 Prozent kam, gab es in Bruck an der Mur (-1,8 %) und Liezen (-1,2 %) sogar ein leichtes Minus. Die sinkende Nachfrage nach zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird auch am steirischen Stellenmarkt dokumentiert: Die Zahl der dem AMS gemeldeten offenen Stellen sank um 21 Prozent auf im Schnitt 12.686 pro Monat – insgesamt meldeten die Betriebe im ersten Halbjahr 39.363 vakante Stellen. Die unselbständige Beschäftigung in der Steiermark blieb mit geschätzt rund 546.000 Personen weitgehend stabil (+0,2 Prozent), die geschätzte Arbeitslosenquote fürs erste Halbjahr 2024 kletterte auf 6,1 Prozent (+0,6 Prozentpunkte).
Ausblick: Aussichten weiterhin trüb
Angesichts der anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen ist es keine Überraschung, dass die Zahl der Firmenpleiten in der Steiermark im 1. Halbjahr 2024 um 29 Prozent auf 367 Fälle (Ö: +26 % auf 3.298 Fälle) gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Es ist dies der höchste Wert seit dem Jahr 2015 als zur Jahreshälfte rund 400 Unternehmen Insolvenz anmelden mussten. Die Passiva belaufen sich aktuell auf 1,9 Mrd. Euro (+1.383 %), was zu einem Großteil vor allem auf den Insolvenzfall der Fisker GmbH zurückzuführen ist. Ohne dem „Fall Fisker“ belaufen sich die Passiva auf 174 Mio. Euro, was einem Anstieg von 34 Prozent entspricht. Aufgrund der erst kürzlich veröffentlichten Prognose seitens der Wirtschaftsforscher, die weiterhin von einer Inflation über drei Prozent im Jahr 2024 ausgehen, wird sich auch an der jüngsten Insolvenzentwicklung kaum etwas ändern. „Die Insolvenzdynamik hat in den vergangenen Monaten deutlich an Tempo zugelegt, und daran wird sich bis Jahresende nichts ändern. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig den Schritt in Richtung einer Sanierung zu machen, sollten finanziell alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein. Auch deshalb, um Arbeitsplätze nicht unnötig zu gefährden“, so Jonke.
Aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation rechnet auch Snobe für die kommenden Monate nicht mit einer baldigen Belebung am steirischen Arbeitsmarkt: „Nach heutigem Stand müssen wir von einer weiteren Zunahme an arbeitslosen Personen bis in die ersten Monate des kommenden Jahres ausgehen, auch wenn viele Unternehmen trotz der Herausforderungen bemüht sind, ihr Personal angesichts des Fachkräftemangels nach Möglichkeit im eigenen Betrieb zu halten.“
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Diese Seite wurde aktualisiert am: 04. Juli 2024